12.
2012
Der Fremde neben mir
Weihnachten. Man kann sagen, dass die Unihockeyszene ihr Weihnachtsfest mit der Weltmeisterschaft in Bern und Zürich bereits hatte. Die abschliessenden Finalspiele im Hallenstadion haben so manche Unihockey-Spieleraugen zum Leuchten gebracht. Nun könnte man an dieser Stelle darüber philosophieren, was die Heim-WM der Sportart im eigenen Land gebracht oder vielleicht noch bringen wird. Wird es einen WM-Effekt geben? Und mit den Spielen im Hallenstadion hat natürlich auch die Einzelfinalspiel-Thematik neuen Stoff erhalten, der sich sehr gut als Schreibthema eignen würde. Doch so kurz vor dem Weltuntergang sollte man sich wirklich nur noch mit den schönen Dingen auseinandersetzen.
So berichte ich heute lieber noch von meinem persönlichen WM-Highlight beim Halbfinalspiel Schweiz gegen Finnland. Voller Vorfreude kämpfte ich mich durch die Hallenstadiongänge, auf der Suche nach meinem gemütlichen Schalensitz, irgendwo unter dem Stadiondach. Beinahe an jeder Ecke erkannte man Exponenten der Schweizer Unihockey-Szene und kam alle fünf Meter zu einem kurzen Schwatz. Irgendwann kam ich dann doch noch bei meinem Sitzplatz an und war positiv überrascht von der guten Sicht auf das Spielfeld und der tollen Atmosphäre.
Wenig später kam dann auch schon mein Highlight heranspaziert, an das ich eigentlich kaum geglaubt habe. Mein Sitznachbar. Ihr fragt euch nach dem Highlight? Ich kann es euch sagen, ich kannte ihn nicht. In einem Stadion mit über 10‘000 Besuchern vielleicht keine allzu grosse Überraschung, doch ich hab nicht einmal sein Gesicht schon irgendwo in einer Turnhalle bei einem Unihockeyspiel, an einem Cup-Final, in Arosa oder wo sich unsere Szene sonst noch überall so trifft, vorher jemals gesehen. Ich kannte ihn schlichtweg nicht. Ein Fremder. Und nicht nur das, mein Sitznachbar war zu allem auch noch das erste Mal an einem Unihockeyspiel. Diese Tatsache festzustellen, dafür hat sich mein Besuch schon mehr als gelohnt.
So sassen wir also nebeneinander, der Fremde und ich. Um den Fremden etwas näher vorzustellen. Ich schätze ich ihn um junge vierzig, er trug eine vergleichbare Zottelfrisur wie unser Bix auf dem Feld und hatte vermutlich eine Eishockey-Vergangenheit. Denn kaum war die Nationalhymne verstummt und das Anspiel erfolgt, fragte der Fremde neben mir „jo gits denn do kai Abseits?". Wir kamen ins Plaudern und seine weiteren Kommentare waren „leck isch da schnell", „hai, dä hät den recht Power usäm Handglenk" oder „wie hät er denn die no gha?". Der Fremde war „parat" und eine einzige Freude für mich.
Seine Fragen und Kommentare liessen zum Beispiel auch das Genörgel der drei Unihockeyspieler vergessen, die direkt hinter uns sassen. Ihr Kommentar nach 30 Sekunden Spielzeit drehte sich nicht um die Abseitsregel, sondern lautete „Leg, die sind jo voll nervös. Warum sind die so nervös Mann?" Ich ersparte mir einen Hinweis auf die aktuelle Zuschauerzahl im Vergleich mit derer bei einem Meisterschaftsspiel und der Wichtigkeit dieses Spiels. Ich amüsierte mich lieber weiter an den Äußerungen meines fremden Sitznachbars. Als unser Mätthu Hofbauer zu einem kurzen Galopp mit einem Finnen im Schlepptau ansetzte, meinte er beeindruckt „häsch gseh, wie dä 19ner dä Gang ietue hät?" Es war machte grossen Spass neben einer Unihockey-Jungfrau das WM-Halbfinale zu bestaunen. Am Ende kam es leider nicht zum gewünschten Höhepunkt mit dem grossen Finale, aber auch dazu meinte der Fremde leicht emotional „Ou nai, wie schad. Prutal so es Endi aber sie händ kämpft und es isch es spannends Spiel gsi". Stand auf, verabschiedete sich von mir und ging zufrieden aus der Halle.
Eine Heim-WM erreicht also doch noch das, was nur wenige SML-Spiele schaffen, nämlich frisches Blut an ein Unihockeyspiel zu bringen. Es wäre bedauerlich, wenn morgen nun die Welt untergehen würde, könnte man das neue Wissen sonst noch in das Produkt „Schweizer Unihockey" einfliessen lassen. Wie es morgen auch kommen wird, das Schweizer Unihockey hat ihr Weihnachtsfest in diesem Jahr ja schon gefeiert.