09.
2012
Früher war alles besser - Teil 1
An einem dieser sommerlichen Turniere, an denen Flipflops das passendere Accessoire als ein Club-Trainer sind, fand ich mich inmitten alter Weggefährten wieder. Das spielerisch Gebotene war mässig interessant und schon gar nicht ansehnlich, was genügend Zeit für Gespräche bot. Mein Tribünennachbar, ein Mitvierziger, der schon früher regelmässig unsere Spiele besuchte, meinte plötzlich: „Früher war dieses Spiel noch attraktiv." Und ergänzte genervt säuerlich: „Das Tempo ist viel zu hoch für die Technik und Spielübersicht der Jungs." Peng, der sass. Gleichzeitig verwarf er demonstrativ die Hände, als unten die Bande zum wiederholten Male nach einem überhart geführten Zweikampf um den Ball krachte. Er stand auf, verabschiedete sich und ging frustriert nach Hause. Wir standen knapp in der Hälfte des Spiels... Ich war perplex ob seiner Aussage und seines plötzlichen Abgangs. Die restliche Spielzeit sass ich nur noch da und versuchte, das Spiel wie ein Aussenstehender zu beobachten. Als ich am Ende rauslief, war ich ebenfalls ein wenig konsterniert.
Denn er hatte Recht!
Was die Attraktivität betraf. Die Technik. Die fehlende Spielübersicht. Das zu hohe Tempo.
Was ich erst als Vorbereitungsturnier abtun wollte, bestätigte sich bei meinem Rückblick auf die letzten Saisons als Gewissheit. Die Spiele sind ein stetes Hin und Her. Was früher als „Hawaiibande" abgetan wurde, ist heute Alltag. Zwar von Taktik geprägte, aber vom Tempo überforderte Spieler zerstückeln diese regelrecht. Ihre Spielintelligenz und ihre Antizipation reichen bei weitem nicht aus, um im entscheidenden Moment instinktiv das Richtige zu tun. Sie sind wegen dem hohen Tempo in den meisten Fällen weder in der Lage den Ball zu kontrollieren, noch ihn sauber weiterzuspielen. Ausnahmen bestätigen natürlich auch hier die Regel, und je länger die Saison gehen wird, desto mehr davon werden wir hoffentlich sehen. Die Ausnahmen sind über Jahre praktisch unveränderte Mannschaften oder Linien, die sich dank Routine und Klasse gegen die Tendenz zu stemmen vermögen.
Was war früher: das Tempo war bei weitem nicht so hoch. Wir waren körperlich zwar fit, aber nie so schnell auf den Beinen und so robust wie die Jungs heute. Mir tut jedes Mal alles weh, wenn ich die Zweikämpfe in den Ecken sehe. Die Kombination damals aus Technik, Taktik und Tempo passte für das Zuschauerauge, wie auch auf die Spielergeneration. Wir hatten die Zeit, den Ball anzunehmen und weiterzuspielen. Spielzüge über mehrere Stationen waren noch möglich. Zweikämpfe ein probates Mittel, den Gegner zu stoppen, aber nicht um ihn in jedem Augenblick auf jedem Flecken des Feldes umzuhauen. Heute dominiert das Tempo und die Physis, aber die Technik und die Spielintelligenz, das Antizipieren von Spielzügen und -situationen, bleiben auf der Strecke.
Die Lösung ist ein Spielsystem, das in der Grundanlage auf Physis baut, aber dank guter bis sehr guter Technik, einer ausgereiften Taktik und eingespielten Laufwegen den Gegner selbst bei dessen Pressing dominieren kann. Das Barcelona-Modell muss hier wieder herhalten, zeigt aber auch die Problematik deutlich auf. Es braucht Zeit, Geduld und die richtigen Trainer und Spieler, welche die übergeordnete Philosophie eines Vereins mittragen und schliesslich umsetzen.
Vielleicht ist der Wunsch hier Vater des auch nicht ganz neuen Gedankens: Mit einer attraktiven, begeisternd offensiv ausgerichteten, technisch versierten Leistung zurück an die Spitze zu kommen, die Zuschauer wieder zurück zu gewinnen und Meisterschaften einzufahren. Oder es ist einfach nur romantisch naiv anzunehmen, dass dies gelingen könnte und das Spiel früher tatsächlich attraktiver war.
Fidel 80.254.181.26
27. 09. 2012
Befürworter 92.105.96.67
27. 09. 2012