04.
2009
Östrogen, Testosteron und Adrenalin
Frühlingszeit ist Playoffzeit. Die Emotionen gehen hoch, die Playoffbärte wuchern (wenigstens bei den Männern) - die schönste Zeit des Jahres eben. Wenn man in die Halle kommt, riecht es förmlich nach Östrogen resp. Testosteron, vor allem aber nach Adrenalin. Die vollbesetzten Tribünen bringen ein magisches Leuchten in des Besuchers Augen. Die Vorfreude steigert sich. Nervosität hüben wie drüben. Erste Wortgefechte in der lokalen Presse oder im nationalen Forum bekannter Onlinemedien. Jeder ein Experte und jeder kennt in dieser Zeit einen oder mehrere Spieler persönlich, hat ihnen bereits den Puls gefühlt, einen Kaffee zusammen genommen und über das werte Befinden geplaudert. Die abgedroschenen Phrasen tragen sich ach so leicht auf die Tribüne und verbreiten sich wie feiner Rauch in der aufgeheizten Atmosphäre.
Die Spieler - seit Tagen nervös - tigern durch die Katakomben in froher Erwartung, ob der steigenden Playoffpart(y)ie. Die Stöcke sind präpariert, die Frisuren gerichtet, die Bärte lang und die Anspannung bis in die Zehenspitzen fühlbar. Man hat sich abgemeldet beim Arbeitgeber oder sieht mal gelegentlich rein, wenn's der Rhythmus der Spiele denn zulässt oder man eben gerade ein wenig Lust nach Ablenkung sucht. Nur die Playoffs zählen. Alles andere rückt in weite Ferne, verliert an Bedeutung, verschwindet im Hintergrund. Der Tunnelblick kehrt ein bei den ersten Schritten auf dem Feld. Das Lächeln weicht einer gequälten Form des Grinsens, weil man nicht weiss, wie der Abend ausgehen wird und vor allem, welche Rolle man selber in diesem Spiel einnehmen wird. Dieses Gefühl der Unsicherheit, des Unwissens - Held oder Verlierer? Entscheidendes Tor in der Overtime oder Eigengoal kurz vor Ende der Partie? Wird ein Lachen das Letzte sein, was einen vor dem Einschlafen begleitet oder das mürrische Gesicht eines Verlierers?
Frühlingszeit ist Playoffzeit. Für alle anderen, die leider den Sprung in die Finals nicht geschafft haben, kehrt Ernüchterung ein. Enttäuschung macht sich breit, nimmt einem ein und verlässt die Hirnwindungen nur mit grösstem Aufwand. Playoffpartien schaut man nur zwangshalber, wenn man gerade per Zufall, ungewollt, durch eine Irrung des Schicksals zur genau richtigen Zeit an einer der wenigen, noch spielbereiten Hallen vorbeischlendert. Dann überlegt man sich kurz, ob es sich allenfalls lohnen würde, wenn man denn schon gerade da wäre, das Match zu schauen. Leider kommt man nicht an diesen Hallen vorbei, da sie zuweilen geografisch recht entfernt liegen. So ist die Versuchung ein Spiel zu besuchen, recht klein, eher schon gen Null sinkend, eigentlich gar keine Überlegung wert.
Zu Hause aber, da dreht der PC im roten Bereich, weil der verdammte Ticker wieder nicht funktioniert oder Teletext die unseligen Updates auf Seite 297 einfach nicht aktualisiert. Das iPhone nervt auch, weil gerade keine Internetzverbindung aufgebaut werden kann. Und der Kollege am Spiel hat ebenfalls kein Signal, um das lang ersehnte Resultat raus zusenden. „Hast du das Spiel mitverfolgt?" „Spiel? Welches Spiel? Ach, du meinst Playoffs. Nein, interessiert mich nicht."
Verdammt, wann spielen unsere Jungs mal endlich wieder da vorne mit!