09.
2003
Sascha Brendler - Der Unihockeyverrückte aus der Innerschweiz
Sascha, Du bist jetzt etwas länger als 1
Jahr Trainer in der NLA. Wie sieht dein Fazit nach einem Jahr in der höchsten
Liga aus?
Schaffte den Sprung von der 1. Liga in die Spitze der NLA
Sascha Brendler
Der Druck ist natürlich viel grösser. Das wurde durch den guten
Saisonstart noch verstärkt. Jeder fragte nur noch wie hoch wir heute gewinnen,
keiner dachte mehr an eine Niederlage. Die erste Niederlage war schon fast
willkommen und hat den Druck ein wenig gemindert.
Die Mannschaft hat mir den Einstieg leicht gemacht. Sie haben meine Art des
Unihockey schnell aufgenommen. Ich konnte die gleichen Übungen machen wir in
der Vergangenheit.
Negativ waren sicher die PlayOffs. Da war der Coach des Gegners einfach
cleverer.
Wie ist er Niveauunterschied zwischen der
ersten Liga und der NLA?
In der NLA geht einfach alles fünfmal schneller. Ich muss bei den
Trainings viel konzentrierter sein. Meiner Meinung nach ist es heute unmöglich
in der NLA als Spielertrainer erfolgreich zu sein, egal wie der Spieler heisst.
Die Übungen werden viel schneller und genauer ausgeführt. Dennoch werden
Fehler gemacht. Aber die kann man nicht erkennen und verbessern, wenn man selber
an den Übungen teilnimmt.
Im Spiel gibt es mehr Härte und man hat viel weniger Zeit für die Ballannahme.
Da ist die Technik entscheidend. Es gibt Spieler, die in der 1. Liga durch Ihre
Technik auffallen, trotzdem werden sie es nie in die NLA schaffen, weil sie
einfach zuviel Zeit und Raum benötigen.
Wie war der Unterschied im Vereinsumfeld
beim Wechsel von den Vipers zum HCR?
Die Vipers sind ein hervorragend organisierter Verein. Da wird auch
Björn Söderberg viel profitieren können. Beim HCR war bei meinem Start alles
im Umbruch: Rücktritte im Vorstand, kein Betreuerstab, keine weiterlaufenden
Spielerverträge und dann tauchte auch noch das "Gespenst GC" auf. Ich
wurde ins kalte Wasser geworfen und musste mich sofort freischwimmen. Doch das
hatte auch seine guten Seiten. Ich musste sofort loslegen und die Dinge in die
richtigen Wege leiten. Positiv war in dieser Phase die Unterstützung von
Philippe Soutter, welche mit sehr geholfen hat.
Nach der erfolgreichen Qualifikation folgte
eine durchzogene Finalrunde und das Aus im Halbfinal. Ihr habt vor der
Finalrunde nochmals ein Krafttraining eingeschaltet und das Training umgestellt.
War das ein Fehler oder würdest Du es wieder so machen?
Trotz toller Unterstützung war im PlayOff-Halbfinal Schluss mit der
HCR-Erfolgsstory
Mit einem solchen Vorsprung nach der Qualifikation würde ich es wieder genau
gleich machen. Wir waren in den PlayOffs konditionell top. Das sieht man auch
daran, dass wir in allen drei Partien einen Rückstand nochmals aufholen
konnten.
Ein Fehler war sicher, dass wir die Finalrunde nicht ernst genommen haben. Wir
haben mit Niederlagen gerechnet und uns gar nicht gross darum gekümmert. Dies
würde ich sicher ändern. Generell lief es uns einfach zu ring in der
Qualifikation. Im Unterbewusstsein konnte sich niemand vorstellen, gegen den
gleichen Gegner 3x zu verlieren. Speziell nicht gegen Wiler, welches uns seit 2
Jahren nicht mehr geschlagen hatte. Das 0:3 in der Serie war ein Schock für
mich.
Wiler war aber auch extrem gut vorbereitet und hat gegen uns ihre besten Spiele
der Saison gezeigt. Ich weiss, dass jeder Spieler ein Playbook erhielt, wo alle
Infos über unser Spielsystem und unsere Abläufe festgehalten waren. Wir
hingegen waren von unserem Spielsystem so überzeugt, dass wir uns gar nicht
gross mit dem Gegner beschäftigt haben. Da hat sicher die
PlayOff-Unerfahrenheit von mir und der Mannschaft auch eine Rolle gespielt.
Im Frühjahr habt ihr mit zahlreichen
Spielern Transferverhandlungen geführt. Bei den meisten ohne grossen Erfolg.
Ist Winterthur zu wenig attraktiv?
Winterthur interessiert keinen. Der HCR hat einfach den Ruf eines
Mittelfeldteams. Viele sahen den momentanen Erfolg als Eintagesfliege.
Natürlich hatten einige gute Gründe, nicht zu wechseln, doch es gibt auch
Kandidaten wo ich es überhaupt nicht verstehen kann.
Unser Ziel waren 5 Toptransfer, 3 haben wir erreicht. Adi Bosshard erzeugt Druck
auf der Goalieposition, Conradin Luzi ist eine gute Verstärkung für die
Defensive und Andreas Fisch kann im Sturm sicher etwas bewegen. Zudem kennt er
die Mannschaft bereits. So konnten wir uns immerhin auf jeder Position
verstärken.
Zudem führen wir in dieser Saison ein erweitertes Kader mit 3 Elite-Junioren,
einem Spieler aus der 2. Mannschaft und Sven Kälin von den Vipers. Sven hat am
CzechOpen einen guten Einstand gezeigt. Und dies praktisch ohne Sommertraining.
Die 5 haben mich aber generell positiv überrascht. Es kann gut sein, das einer
von ihnen zum Saisonstart in der Stammformation steht.
Mit dem 4. Platz am Czech-Open und dem 2.
Platz am Sense-Cup seit Ihr gut in die Vorbereitung gestartet. Wie bist Du
bisher mit der Vorbereitung zufrieden?
Man sollte die Vorbereitung nicht überbewerten. Die ersten beiden
Turniere dienten der Integration der neuen Spieler.
Am Czech-Open haben wir sowohl gegen Pixbo als auch gegen Balrog sehr gute
Spiele gezeigt. Am Sense-Cup war ich nur mit der Leistung gegen die Capitals
nicht zufrieden. Im Vergleich zum letzten Jahr sind wir sicher einen Schritt
weiter.
Wie sieht das Saisonziel des HCR aus? Und welches sind die härtesten Gegner?
Die Spitze ist extrem breit diese Saison. Unser Saisonziel ist klar die
Play-Off-Qualifikation, egal auf welchem Platz. Darum machen wir auch kein
Geheimnis. Alles andere wäre ein Rückschritt gegenüber letztem Jahr und das
entspräche nicht meinem Naturell.
Meine Favoriten sind wie letztes Jahr Rot-Weiss und Wiler. Dahinter ist alles
offen. Vorallem auf den Plätzen 3-8. Ausser den Jets und Wasa würde mich kein
Teams in den Play-Offs überraschen. Die grosse Unbekannte ist Torpedo Chur.
Letztes Jahr sind sie ohne Ausländer eingebrochen und auch diese Saison
verfügen sie über keinen... Dafür konnten sie sich auf der Torhüterposition
klar verstärken. Aber ob das reicht, um wieder so lange an der Spitze
mitzuhalten, wird sich zeigen.
Seit April bist Du auch Assistenztrainer
der tschechischen Nati. War dir an den Natiwochenenden langweilig oder warum
diese zusätzliche Aufgabe?
Mir war überhaupt nicht langweilig. Aber wenn ich angefragt werde und die
Möglichkeit erhalte, an der WM teilzunehmen und eine Medaille zu gewinnen, kann
ich fast nicht nein sagen. Das Wichtigste war aber, dass dieses zusätzliche Amt
meine Arbeit beim HCR überhaupt nicht tangiert. Ich bin mir bewusst, dass es im
kleinen Final zum Duell gegen die Schweiz kommen könnte. Aber ich will
unbedingt eine WM-Medaille.
Warum versuchst Du nicht mit der
Schweizer-Nati zu Edelmetall zu gelangen?
Beim Mannschaftsbus sind die Schweizer sicher im Vorteil!
Der SUHV hat mich nicht angefragt. Der Betreuerstab der Schweizer Nati
ist ja auch gut besetzt, so bestand für den Verband auch keine Notwendigkeit
dafür.
Wie muss man sich dein Engagement in
Tschechien vorstellen? Was sind deine Aufgaben?
Ich soll den Trainerstab taktisch unterstützen. Die beiden
tschechischen Coaches kommen vom Eishockey und verfügen zusammen über weniger
Jahre Erfahrung als Unihockeytrainer als ich. Ich stelle die Mannschaft auf den
Gegner ein und kontrolliere während dem Spiel, dass sie unsere taktischen
Vorgaben einhält.
Was sind die Unterschiede zwischen dem
Tschechischen und dem Schweizer Unihockey?
Die Tschechen haben eine "laissez faire"-Einstellung. Bei den
Länderspielen gegen Österreich war die Einstellung gleich null. Solche Spiele
gewinnen die Tschechen dank ihrer technischen Überlegenheit. Sie haben einfach
keine Winnermentalität, in der Kabine "brennt die Luft" nicht.
Was erwartest Du von den kommenden
Länderspielen in St. Gallen?
Einen Sieg und ein volles Haus.
Wie gross ist der Vorsprung der Schweizer
Nati noch. Wo liegen Ihre Vorteile?
In der Schweiz ist einfach die Breite an Spielern viel grösser. Urban
hat viel die grössere Auswahl und kann so auch mehr Druck erzeugen. Wenn man
die Aufgebote sieht, fallen einem sofort Spieler ein, die eigentlich auch in die
Nati gehören. Wenn man dann aber das Aufgebot genauer studiert, sieht man, dass
die aufgebotenen Spielern diesen durchaus ebenbürtig sind und auch ein Aufgebot
verdient haben.
Man hat es auch am Czech-Open wieder gesehen. Die Topteams aus Tschechien
verfügen höchstens über einen guten Block, der international mithalten kann.
Der 2. und 3. Block hat höchstens 1. Liga-Niveau. Es spielen ja sogar
tschechische Natispieler in der Schweiz in der 1. Liga.
Wo steht deiner Meinung nach die Schweizer
Nati?
Für zahlreiche Spieler ist es wohl das letzte grosse Turnier. Und dies
noch vor Heimpublikum. Ich traue der Schweiz durchaus die Finalqualifikation zu,
aber nur, wenn sich alle Spieler für die Mannschaft einsetzten und nicht
einfach ihr Foto am nächsten Tag in der Zeitung sehen wollen.
Seit kurzem steht die Nachfolge von Urban
Karlsson fest. Dein Kommentar zur Nomination von Markus Wolf?
Ich finde es gut das ein Schweizer nominiert wurde. Ich habe kürzlich
mit ihm telefoniert und traue ihm zu, die Mannschaft einen weiteren Schritt
voranzubringen. Er hat in der vergangenen Saison mit dem Doublegewinn gezeigt,
was er kann. Es liegt aber auch an den Spielern, wie sie ihn aufnehmen. Als
Bündner und ehemaliger Rot-Weiss-Trainer bietet er natürlich die ideale
Ausrede, wenn es mal nicht läuft.
Sascha, Vielen Dank für dieses Interview