11.
2015
Aufbruchstimmung
Letzten Samstag erlebte ich Überraschendes. Als ich gegen 21 Uhr den Livestream der EFT der Männer einschaltete, guckte ich nur kurz aufs Resultat. 5:2 für die Schweiz, «Solides Resultat gegen Tschechien», dachte ich mir ohne viel Nachzudenke. Plötzlich lief es mir kalt den Rücken hinab. «Die spielen doch erst morgen gegen Tschechien, heute ist doch Finnland dran», fiel mir ein. Schnell ein zweiter Blick und tatsächlich: Schweiz 5, Finnland 2. Was ist denn da los?
Ich traute meinen Augen kaum. Die Spieler mit den roten Dresses liefen den Finnen um die Ohren, so wie das sonst nur diejenigen in den gelbblauen Shirts machen. Hektisch machte ich mich auf die Suche des Datums des letzten Sieges gegen Finnland. Spontan hätte ich gesagt, WM 2004, 20. Mai, 4:3, Christoph Hofbauer zehn (oder 20?) Sekunden vor Spielschluss. Die bekannten Resultatenerds winkten rasch ab («Journiproblem»), hiess also suchen auf der IFF-Page. Weit musste ich scrollen, erst am 13. September 2009 wurde ich fündig. Der jetzige Tigers-Sportchef Marc Dysli schoss in der 57. Minute den 6:5-Siegestreffer, nachdem zuvor der heute Schweizer Assistenztrainer Esa Jussila bei einer Strafe gegen Florian Kuchen ausglich. 234 Zuschauer im lettischen Koceni waren Zeuge des Schweizer Sieges.
Während der Suche spielten die Schweizer den Stiefel locker runter. Keine Nervosität, dafür Jubel nach jedem Block oder jeder Parade von Pascal Meier. Das 6:3 mag ich vor allem David Jansson gönnen. Ich bin in den letzten Jahren zurückhaltend geworden mit Worten wie «Aufbruchstimmung» oder «neuem Anlauf». Das zähe Spiel gegen Deutschland trug auch nicht zu ausuferndem Optimismus bei. Auch ist mir bewusst, dass Finnland nicht seinen besten Tag erwischte - am Sonntag gegen Schweden zeigte es ein anderes Gesicht. Aber mittlerweile scheint Janssons Saat tatsächlich zu fruchten. Noch selten trat eine Schweizer Auswahl so unbekümmert an. Der Schwede scheint den Nerv der Spieler getroffen zu haben.
Vor allem der Fleiss ist beeindruckend: «Wieder habe ich zehn Videos bekommen, ich komme fast nicht nach mit Anschauen», meinte Kevin Berry vor einiger Zeit bei einem Interview. Und wenn ich diese Saison in eine Halle kam, konnte ich sicher sein: Jansson sass schon auf der Tribüne. Der gute Mann dürfte jetzt schon mehr Spiele live gesehen haben, als sein Vorgänger in vier Jahren... Auch das gehört dazu, ebenso, dass endlich mit den Spielern gesprochen wird und diese wissen, woran sie sind. Übrigens: Janssons Taktikanalysen in unserem Printmagazin sind jeweils höchst interessant.
Eigentlich wollte ich hier auch noch was zu den letzten Frauen-Länderspielen vor der WM schreiben. Aber das wäre zu polemisch geworden. So schliesse ich mich dem Optimismus der Spielerinnen an und verzichte darauf, über vermisste Spielerinnen oder ungewohnte Positionen zu lamentieren. Denn eines habe ich in den letzten Jahren auch gelernt: Es gibt immer einen Plan. Und abgerechnet wird am 12. Dezember. Wenn die Schweiz dann die Bronzemedaille holt, ist alles in Butter. Alles mehr wäre eine freudige Überraschung. Alles weniger, würde allerdings einige Fragen zu den letzten zwei Jahren aufwerfen. Hoffen wir auf ein gutes Ende.