11.
2018
Prager Geschichten
Die allererste Unihockey-WM 1996 in Schweden ging noch ziemlich unbemerkt an mir vorbei. Für mich stand damals das lokale Schaffen im Verein im Vordergrund - „wer bringt am Sonntag die Hot-Dog-Maschine zur Heimrunde?" - und das internationale Geschehen verfolgte ich noch nicht wirklich.
Zwei Jahre später war ich an der ersten WM in Tschechien aber dabei. Als Tourist, der intensiv von den günstigen Bierpreisen in Brünn und Prag profitierte. Sportlich war das Turnier aus Schweizer Sicht natürlich der Hammer - der im Penaltyschiessen gewonnene Halbfinal gegen Finnland bedeutete den Finaleinzug. Etwas, das der Schweiz bekanntlich seither nicht mehr gelang.
Die WM 2008 in Tschechien fand bereits auf einem ganz anderen Level statt. Finalspiele in der O2-Arena statt der baufälligen Slavia-Eishalle. Das Bier war etwa fünfmal teurer geworden, war aber immer noch günstig. Und die Leute interessierten sich für die WM. Normalerweise haben weder lokele Taxifahrer noch sonst Einheimische, die man im Verlauf einer WM-Woche anquatscht, irgendeine Ahnung, dass in ihrer Stadt gerade die besten Unihockeyaner der Welt zu Besuch sind. Bis heute einer meiner schönsten WM-Momente daher: Ostrava, mitten in der Nacht an einem Outdoor-Hamburger-Grill: Ich zum Grillmeister: „Kennst du Unihockey?" - Er: „Ja klar, ich war heute in der Halle bei Tschechien gegen Schweden!" - Ich: „Oh ok, cool. Die 9000 Zuschauer waren fantastisch." - Er: „Es waren nicht 9000, sondern 8913." Auf dieses Fachwissen war nicht gefasst.
Nun folgt die dritte WM in Tschechien. An einigen Tagen werden bei den Morgenspielen bis zu 6000 Kinder aus dem ganzen Land in der Halle sein. 200'000 Zuschauer sollen den bisherigen WM-Besucherrekord pulverisieren. Ein Rahmen, wie ihn die Unihockeygemeinde noch nie gesehen hat, die WM in Prag ist Tschechiens grösster Sportevent des Jahres, weltweit in den Top 20. Wir sind seit 1998 vorangekommen.
Und sportlich bin ich wirklich gespannt wie ein Flitzebogen. Verliert die Schweiz gegen Tschechen das Gruppenspiel 4:5, dann den Halbfinal gegen Schweden 5:8 und anschliessend den kleinen Final gegen die Tschechen in der Verlängerung? Oder schlagen wir die Tschechen 5:2, bezwingen dann im Halbfinal Finnland 6:4 und ziehen in den Final ein? Beide Szenarien sind möglich. Ich persönlich wäre nach 20 Jahren des Wartens wieder einmal für einen gewonnenen Halbfinal zu haben. Diesen würde ich unabhängig vom Ausgang des Finals ausgiebig feiern. Einfach nicht mehr mit so viel Bier wie 1998. Nicht, weil dieses seither zehnmal teurer wurde und ich diesmal arbeiten muss, sondern, weil ich 20 Jahre älter geworden bin und nicht mehr gleich viel vertrage wie damals.