01.
2009
Gold for the Industrieverteidiger
Praktisch nach jedem Spiel wiederholt sich das Szenario. Beide Teams stellen sich auf, um gespannt der Nennung des besten Spielers zu lauschen. Meist darf ein besonders verdienter Funktionär oder ein spendabler Sponsor dann seinen Liebling auszeichnen. Und meist hat er ihn wohl auch fernab jeglicher Sachkenntnis auch selber ausgewählt. Das bleibt aber nur Spekulation: In praktisch allen Fällen bleibt die Wahl anonym. Und meist frage ich mich in diesen Momenten: Wer zum Teufel hat genau diesen Spieler ausgewählt.
Hoch in der Gunst der Best-Player Glücksgöttin stehen Torschützen. Auch wer nur zweimal pro Partie angeschossen wurde oder per Zufall einen Abstauber vor die Schaufel bekam, darf sich schnell Hoffnungen auf den Preis - schwankend zwischen Goldvreneli und Badetuch - machen. Egal, ob besagter Stürmer beim Wort Backchecking immer noch an den Kuchen vor dem Spiel denkt oder seinen Goalie nur vom Duschen kennt. Wer trifft, ist der Held.
Dabei gäbe es so viele wichtigere Sachen in einem Spiel. Der Verteidiger, der 20 Schüsse blockt und den ganzen Sonntag Eis auf seine Oberschenkel legen muss. Der Torhüter, der die Fehler der hadernden Stürmer ausbaden muss. Oder warum mal nicht dem Masseur das Präsentchen überreichen, welcher den totgeglaubten Spielmacher doch noch rechtzeitig zu Spielbeginn „reanimieren" konnte? Oder dem Ersatzspieler, welcher mit Glück fünf Minuten vor Schluss noch ein wenig mitspielen kann, zuvor seinen Kollegen aber auch nach der x-ten Hundertprozentigen auf die Schulter klopfte und motivierend das Rivella-Fläschlein reichte.
Aber nein. Meist ist nur der Torschütze der Star. Und spricht er auch noch schwedisch (oder seit dem 14. Dezember auch finnisch), dann sollte er seinen Wandschrank nicht mit zu vielen IKEA-Dekorationen füllen. Klar, nur wer Tore erzielt, kann auch gewinnen und schöne Treffer sind auch das Salz in der Suppe. Vergessen wird dabei, dass die besten Torschützen nichts nützen, wenn keine fähige Abwehr hinter ihnen stehen. Was, wenn der erste Pass eben nicht beim Mitspieler landet? Was, wenn der Torhüter regelmässig daneben langt?
Noch immer freue ich mich am meisten, wenn ein „Wasserträger" die Auszeichnung erhält. Einer vom Typ Ceccaroni, welcher ein fettes Kreuz an die Decke malt, wenn er mal die Mittellinie überquert, dafür seinem Gegenspieler bis in die Garderobe folgt. Sie sind für mich immer noch die wahren Helden jedes Spiels. „Industrieverteidiger", pflegte Esa Jussila jeweils seine Indianer zu nennen, welche ihm den Rücken frei hielten. Im gleichen Satz betonte er dann aber auch meist, dass ohne diese er den offensiven Ausgang nicht geniessen hätte können.
Jussila ist an der letzten Weltmeisterschaft selber zum Industrieverteidiger mutiert. Brav spedierte er die Bälle aus dem Verteidigungsdrittel oder liess die kopflosen Angreifer auflaufen. Die Schlagzeilen gehörten dann anderen, so wie Rickie Hyvärinen, dem langen Elend, der noch nie in Finnland lebte, aber den entscheidenden Treffer gegen seine schwedischen Nachbarn vorbereitete. Oder Tero Tiitu, welcher mit eben diesem Tor Unihockeygeschichte geschrieben hat. Oder Santtu Manner, welcher überraschend ins Allstar-Team gewählt wurde.
Mit Mikael Järvi wurde zum Glück einer aus der Kategorie „Chrampfer" zum wertvollsten Spieler des Turniers ausgezeichnet. Gerüchten zufolge stand der Name Frederik Djurling ursprünglich dort. Ein MVP ohne Goldmedaille wäre dann aber doch etwas peinlich am Platz gewesen. Wer die Wahl vornahm, ist meines Wissens nicht bekannt. Ich wäre dafür, dass man ab sofort für einmal etwas aus dem Eishockey übernehmen sollte. Fünf Minuten vor Spielschluss holt einer der Schiedsrichter bei den beiden Trainern einen Zettel ab, auf welchem der Name des besten Spielers notiert ist. Wetten, dass dann nicht mehr nur die Stürmer gewählt werden?