12.
2014
Keine Gründe?
Gibt es rationelle Gründe, die für einen Schweizer Sieg heute im Halbfinal gegen Schweden sprechen? Ganz ehrlich: Ich wüsste keinen. Wer 56mal gegen einen Gegner nie gewinnt, der hat vor dem Halbfinal im Land des dazu siebenfachen Weltmeisters (bei neun Austragungen), der auch noch einen Ruhetag mehr hatte, sehr schlechte Karten. Vor allem auch, wenn Schweden eine bisher überzeugende WM spielte, taktische Varianten prüfte und die Spieler in Form sind. Auf die Schweiz trifft (mehrheitlich) nur der zweite Punkt zu. Logisch wäre eine klare Niederlage, wenn's hoch kommt, gar zweistellig.
Und genau liegt der Vorteil des Schweizer Teams. Von ihm erwartet niemand was. Eine hohe Niederlage? - Die Bestätigung der letzten zwei Jahre. Eine knappe Niederlage? - Aufsteigende Tendenz vor dem Bronzespiel. Abgerechnet wird erst nach dem letzten Spiel.
Die Schweizer Spieler haben wohl noch nie so intensiv über ihr Spiel gebrütet wie an dieser WM. Dieses wirkt mittlerweile durchdachter als jede Opern-Symphonie. Aber bis jetzt ist es eine unvollendete Symphonie. Die Töne wären da, es passt aber nicht die Zusammenstellung. Mehr üben, ist man geneigt zu sagen - allein, eine Nacht muss noch reichen.
«Wie gefällt dir die Schweizer Nationalmannschaft?», fragte mich diese Woche der finnische Assistenztrainer Akseli Ahtiainen. Ich zögerte. «Man weiss nie so genau, was einen erwartet», sagte ich ihm. «Aber er weiss es», entgegnete mir Ahtiainen - und zeigte auf Petteri Nykky. Dieser hat das perfekte Spiel im Kopf. Die Frage ist, ob es sein Team am Tag X aufs Parkett bekommt.
Nykky ist ein Fan von Symbolen. Vor der WM 2008 sprach er beim finnischen Team stets von der Pyramide, in welcher jeder Spieler seine Position in der Mannschaft ausfüllen sollte. Extra dafür fuhr er in der Vorbereitung nach Ägypten, damit die Finnen die Pyramiden auch in echt zu sehen bekamen. Es ist kein Zufall, dass im Schweizer Hotel oft gepuzzlet wurde. Die Schweizer Nati, das Schweizerspiel ist auch ein Puzzle. Mit jedem WM-Spiel fand das Puzzle mehr zusammen.
Gibt es rationelle Gründe für einen Schweizer Erfolg gegen Schweden? Nein. Und trotzdem gehen die Schweizer nicht chancenlos ins Spiel. Wenn das Puzzle sitzt, jeder sein höchstes Niveau erreicht, das Schlachtenglück sich auf die Schweizer Seite schlägt, ja dann hat die Schweiz eine kleine Chance. So wie in den Halbfinals 2008 (2:3), 2010 (2:3 n.V.) oder 2006 als den Schweden in Schweden (Malmö) ein vielbeachtetes 4:4 gelang. Denn eines ist auch klar: Auch wenn es keiner im schwedischen Team zugeben würde - die Gedanken sind schon auf den Sonntag gerichtet. Auf den Final gegen Finnland. Hoffen wir auf ein Wunder.