01.
2015
Wie weiter nach der WM?
Vor einem Monat ging die WM in Göteborg zu Ende. Ich gebe es offen zu: Ich habe sie noch nicht verdaut. Die Bilder, gerade vom Halbfinal, sind immer noch deutlich präsent. Letztmals so eine Ohrfeige habe ich 2007 im U19-Halbfinal gegen (wen überrascht's) Schweden erlebt. 5:0 stand es damals nach zehn Minuten, 7:1 nach dem ersten Drittel, 14:1 am Schluss. Das 10:1 zuletzt in Göteborg war eine Watschn historischen Ausmasses. Noch nie hatte die Schweiz so hoch an einer WM gegen Schweden verloren. Zehn schwedische Gegentore gab's zuletzt 1998 im WM-Final (3:10). Nur zweimal gewannen die Schweden höher als 10:1 gegen die Schweiz. Man muss weit zurückblättern: Am 30. Januar 1988 im vierten Aufeinandertreffen mit 13:2 und dann das legendäre 18:1 am 8. März 1990 in Mariestad, als Goalie Niklaus Engel trotz 18 Gegentreffern nach 74 Paraden als bester Schweizer ausgezeichnet wurde. Wohlgemerkt ohne effektive Zeitmessung.
Zurück zur Realität. «Die Schweizer waren eine grosse Enttäuschung», sagte kürzlich Schwedens Goldtrainer Janne Vaara, der auch mutmasst, dass Tschechien künftig der schwerere Gegner sein werde als die Schweizer. Hat er leider nicht Unrecht. Im nächste Woche erscheinenden Printmagazin haben wir den obersten Schweizer Auswahlchef zum Interview gebeten. Daniel Brunner gab offen und direkt Antwort. Gefallen hat mir vor allem seine Aussage, dass man die schwedische, finnische und tschechische Nationalmannschaft auch am Spielsystem erkannt hätte, wenn alle Spieler dieser Mannschaften weisse Trikots getragen hätten. Nicht aber die Schweizer Auswahl. So war es, leider.
Am Wochenende wird Petteri Nykky zum Debriefing in der Schweiz erwartet. Ich gehe wohl nicht falsch in der Annahme, dass dies kein fröhliches Kaffeekränzli werden wird. Nykky wird sich einigen harten Fragen stellen müssen. Die Facts: Kein einziger Sieg in einem WM-Spiel gegen die Top-4-Konkurrenten. Der Halbfinal 2012 gegen Finnland (3:4 n.V.) ging verloren, das Gruppenspiel an der letzten WM gegen Tschechien endete 2:2, der Halbfinal wie erwähnt 1:10 und das Bronzespiel verlor die Schweiz gegen Tschechen mit 3:4. Knappe Resultate, unglückliche Spiele teilweise, das stimmt. Aber eben, am Schluss war die Schweiz wieder da, wo keiner sein will: Auf Rang 4.
Eines möchte ich betonen: Ich halte Petteri Nykky nach wie vor für einen grossen Trainer. Wie er Finnland zweimal zum WM-Titel geführt hat, gebührt ihm Respekt. Ebenso für seine Kampagne mit der Schweiz vor zwei Jahren. Und ja, als sein Vertrag vor zwei Jahren verlängert wurde, habe ich an dieser Stelle geschrieben «Kiitos Petteri» (Danke Petteri). Ich war überzeugt, dass er die Schweizer Nati weiter voran bringen kann. Mit seiner Aura, mit seiner Überzeugungskraft. Mit seinen unkonventionellen Mitteln.
Mittlerweile bin ich davon nicht mehr überzeugt. Der Zauber scheint verflogen. Während ihn die vielen Niederlagen in der Vorbereitung kalt liessen, kamen seine Schützlinge wohl ins Zweifeln, dass genau während der WM sich der Knopf löse. Wie gesagt, Nykky ist ein grosser Trainer. Aber wohl keiner (mehr) für die Schweizer Nati. Schon während der WM hatte ich das Gefühl, dass die Spieler ihm nicht mehr hundertprozentig vertrauten. Das Gebotene auf dem Feld war weit entfernt von demjenigen vor zwei Jahren. Vielfach war es ein Geknorze, nur selten blitzte das frische Spiel der WM 2012 auf. Zuweilen hatte ich das Gefühl, die vielen 1000 Stunden vor der Flipchart hätten die Schweizer mehr verunsichert, als stabilisiert.
Und ja, das Aufgebot mit den vielen (halb-)verletzten Spieler muss Nykky verantworten. Es war gar nicht möglich «das physisch beste Team der WM» zu stellen, da (zu) viele Spieler angeschlagen waren. Ich bin überzeugt: Bis auf wenige Positionen wusste Nykky genau, welche Spieler er nach Göteborg mitnehmen würde. Was ich halt bis heute nicht verstehe, dass sich die Aussagen der Nationalspieler gleichen. «Mit mir hat er fast nie gesprochen», war oft bis meistens zu hören. Dass sogar Stammspieler bis zum allerletztmöglichen Meldetermin nicht wussten, ob sie nun an die WM dürfen oder nicht, passt ins Bild. Ebenso, dass am Mittag des letzten Tages noch beraten wurde, ob nun Manuel Maurer oder Paolo Riedi mitfahren. Und dass die Meldung des definitiven Aufgebots mehrmals verschoben wurde, ehe sie erst um 17 Uhr verschickt wurde.
Richtig enttäuschend waren die Aussagen nach der WM, welche die finnischen Kollegen von pääkallo.fi einfingen. Als Nykky den Schweizern mangelnden Einsatz und taktisches Wissen vorwarf. Die finnischen Kollegen übersetzten das Interview übrigens extra für uns auf Englisch, damit möglichst keine Fehler in der Übersetzung entstehen. Klar ist der Frust nach einem vierten Platz gross. Aber solche Aussagen dürfen einfach nicht sein. Denn in der Verantwortung steht in erster Linie der Trainer. Und wenn Nykky als gutbezahlter Natitrainer - man munkelt einer der bestbezahltesten überhaupt - seinen «Amateursportlern» mangelnden Einsatz vorwirft, hat dies auch einen schalen Beigeschmack.
Zwei Jahre läuft sein Vertrag eigentlich noch. Wenn Nykky ehrlich und wirklich ein Gentleman ist, dann sagt er jetzt, «okay, es hat nicht sollen sein, es ist wohl besser jetzt einen Schnitt zu machen». Es wäre der ideale Zeitpunkt. Wie gesagt, Nykky ist immer noch ein grosser Trainer. Aber wohl nicht für die Schweiz. Es braucht einen Trainer, der klare Anweisungen gibt. Klar und oft kommuniziert. Und nicht nur für Training Camps in die Schweiz fliegt. Wie sagte doch ein Kenner der Szene, dessen Name mir grad entfallen ist, am Rande der WM: «Es war die beste Entscheidung Nykky für die WM 2012 zu holen. Aber es war die schlechteste, ihn weiter zu verpflichten».
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16. 01. 2015